Am 16.7. verlassen wir Uzbekistan und haben Visabedingt bis zum 10.08. Zeit Tadschikistan kennenzulernen und den Pamir Highway zu erradeln.
Fuer mich ist uebrigens gerade Halbzeit meiner Reise. Ich bin in 109 Tagen 8465 km geradelt, dabei 69965 Hoehenmeter erklommen und einen Schnitt von 77,7 km incl. Ruhetage zurueckgelegt. Um es vorwegzunehmen: Tadschikistan wird diesen Schnitt kraeftig nach unten druecken wegen der schlechten Strassenverhaeltnisse, den herausragenden Hoehen ueber 4000m und den obligatorischen Magen-Darmproblemen. All das ist einberechnet und so freue ich mich auf das Abenteuer Pamir.
Uzbekistan entlaesst uns mit gemischten Eindruecken. Die letzten km haben wir ebene Strecke, gute Strasse und Rueckenwind. Gruene Felder mit Weinanbau – wir bekommen Weintrauben geschenkt – , weite Ebene, viel Wasser, bunt gekleidete Frauen und Kinder ergeben den Eindruck einer perfekten Idylle. Wir kommen dann noch an einer “Wallfahrtsmoschee” vorbei – eine kleine Moschee mit zwei Graebern davor, die nach mehrfacher Umrundung Lehm, den man in einer Oeffnung heiligt, zum Heilmittel wandelt, mit dem die Leute sich und ihre Kinder bestreichen. Wir werden eingeladen, mitzumachen.
Im Kontrast dazu schockt uns Denov die letzte Stadt vor der Grenze – verstopft von Autos ist sie einfach nur laut und sobald man anhaelt, werden man selbst und das Fahrrad von allen Seiten betatscht. Wir beeilen uns also nach dem letzten Einkauf zur Grenze zu kommen. Dort werden von den unfreundlichen uzbekischen Beamten nach gebuehrender Wartezeit einige unserer Taschen durchsucht und nach einer Stunde stehen wir den tadschikischen Beamten gegenueber. Die blicken zwar finster drein, nach 15 Minuten sind wir aber nach etwas Small Talk ueber Fussball abgefertigt.
Der erste Ort hinter der Grenze empfaengt uns freundlich. Weil mich ein Eingangsportal an eine christliche Kapelle erinnert, halten wir. Es ist der Eingang zu einer Moschee mit Rosengarten im Innenhof . Wir werden von den alten Maennern mit ihren blitzenden Goldzaehnen, die es sich auf einer Bank im Garten gemuetlich gemacht haben, in Beschlag genommen, uns wird die Moschee gezeigt und mitten im Ramadan wird uns Saft angeboten. Derer Ort gefaellt uns – durch die Strassen fliesst in offenen Rinnen reichlich Wasser, das die Leute zumindest als Wasch- und Brauchwasser reichlich schoepfen. Ob sie fuer Trinkwasser sicherere Quellen haben, weiss ich nicht. Dennoch wollen wir noch ein paar km weiterfahren, zum Abend kommen wir aber an einer riesigen Aluminiumfabrik vorbei, die mit ihrer Abgasfahne die Umgebung weitraeumig berieselt und wir es auch nicht mehr schaffen, aus ihrem Dunstkreis herauszukommen. Spaeter als wir feststellen, dass in Tadschikistan quasi keine Waren selbst gefertigt werden, erfahren wir, dass das die groesste Industrieanlage in Tadschikistan ist, sie aber von den Energielieferungen aus Usbekistan abhaengig ist. Wir campen also zwischen Strasse und Tomatenfeldern und bekommen auch ein paar geschenkt.
Am folgenden Tag bekommen wir einen Vorgeschmack auf die tatsaechlichen Strassenverhaeltnisse in Tadschikistan. Eine zig km lange Baustelle verwandelte die Strasse in eine Lehm- und Staubpiste mit Strassenloechern und Waschbrettmuster (Rinnen quer zur Fahrban im 50 cm Abstand, die das Gehirn und den Magen selbst bei Gewchwindigkeiten unter 10 km/h durcheinanderwirbeln.) Noch nehmen wir das gelassen als Pamirtraining hin.
Da Thiemo fuer den Pamir noch kein Permit hat, ist unser erster Weg in Duschanbe Richtung OVIR. Da wird Thiemo im Laufe dieses und des naechsten Tages mit Auskuenften wie gibt es nicht, dauert Tage, kostet zig Dollar bedraengt. Er ist hartnaeckig genug, diese abzuwehren und erhaelt das Permit am Tag drauf (Freitag) ohne Bestechungsgelder und aehnliches.
Ich nutze die Zeit fuer Anrufe im Geschaeft, Waesche waschen, Blog schreiben (Uzebikistan) etc. Im Hostel, das uns im wesentlichen eine Kueche, eine Klo, eine Internetverbindung und einen Innenhof zum Zelten zur Verfuegung stellt, treffen wir 1 Deutschen, 4 Schweizer und 1 Belgier, die alle bereits am naechsten Tag Richtung Pamirhighway weiterradeln wollen. Wir brechen einen Tag spaeter auf (nachdem sich Thiemo die Nacht mit Bilder hochladen um die Ohren geschlagen hat, was mich schwer an meinen Sohn erinnerte und mich um so mehr aergerte, werden aber alle wiedersehen.
Von Duschanbe haben wir ausser dem Ovir nicht viel gesehen, beim Losfahren finden wir aber unerwrtet ein paar Geschaefte, die mir Dinge wie neues Tagebuch, Taschenlampenbatterien und Fahrradflasche zu kaufen ermoeglichen. Und dann erspaehen wir vor dem Abzweig in den Pamir noch die Prachtbauten wie Praesidentpalast und Prunksaeulen in den Parks, die wir ausgiebig bestaunen und mit Eisessen touristisch wuerdigen.
So kommt es dass wir erst nach 12:00 Uhr das Abenteuer Pamir wirklich in Angriff nehmen. Die Strasse ist zunaechst breit und gut ausgebaut. Da wir aber beschlossen haben, die Nordroute nach Khorogh zu nehmen, die kuerzer hoeher und mit schlechterem Strassenbelag versehen ist, dafuer aber bessere Aussichten und weniger Verkehr bietet, wird sich das noch aendern. Wir zelten in einer Streuobstwiese, deren Besitzer im langen Afghanenmantel (ist der wirklich praktisch?) uns am naechsten Morgen erst zu Ende fruehstuecken laesst, bevor er ein kurzes Schwaetzchen mit uns haelt, und erreichen am kommenden Tag Obigarm und kurz dahinter bestaunen wir einen tadschikischen Tiermarkt. Danach wird die Strasse dann schlechter und ist nur noch teilweise mit abnehmender Tendenz asphaltiert. Thiemo, der bis dahin unasphaltierte Wege so weit wie moeglich gemieden hat, ist auf diesen Wegen bergab und eben langsamer als ich, bergauf aber haengt er mich unabhaengig vom Belag ab. Etwas Sorgen mache ich mir schon, wie ich die 4000er Paesse bewaeltigen werde. Am Nachmittag holen wir dann die 3 Schweizer und den einen Deutschen, die gemeinsam radeln, ein und beschliessen gemeinsam am Ende eines Tales mit herrlicher Bergsicht ein Zeltdorf (6 Leute, 5 Zelte) aufzuschlagen. Wir unterhalten uns sehr angenehm. Am Morgen fahren Thiemo und ich dann aber voraus, sonst wird die Gruppe zu gross und unhandlich.
Ab jetzt gilt, die Landschaft wird immer shoener, die Strasse und die Versorgungslage in den Orten immer schlechter. Wasser gibt es nicht mehr zu kaufen, wir schoepfen also Wasser aus Bergbaechen oder wie die Einheimischen aus Brunnen, filtern dieses aber zusaetzlich. Brot gibt es in den Laeden auch nicht mehr, meist wird uns auf Nachfragen aber welches von Nachbarn unentgeltlich oder zu angemessenen Preisen (manchmal auch zu ueberhoehten) ueberlassen. Aprikosen oder Sauerkirschen bekommen wir ab und an geschenkt, in den Geschaeften gibt es hoechstens Melonen, sonst aber Fleisch aus der Dose, Einheitswurst und mit Glueck finden wir etwas Kaese und Gurken und Tomaten, die meist ziemlich schnell vergammeln. Reis, Nudeln, Kekse und Bonbons sind in Unmengen ueberall zu haben. Irgendwoher muessen die Goldzaehne ja kommen.
Die Checkpoints haefen sich jezt auch – die jungen Soldaten sind meist freundlich, nehmen unsere Paesse in Empfang, uebergeben sie ihrem Chef, der geht damit in seine Huette / Haus und schreibt Name und Passnummer (dass er immer Garreis als Nachnahme identifiziert, glaube ich eher nicht) in ein dickes Buch, was meist einige Zeit dauert, und gibt uns danach die Paesse freundlich wieder zurueck. Wir hatten nie Angst, dass irgendein Schmuh mit den Paessen getrieben wird, geschweige denn, dass irgendjemand Geld von uns wollte. Entgegen frueheren Reiseberichten scheint man inzwischen auch von offizieller Seite Touristen gut behandeln zu wollen.
Der Anstieg auf den 3252 m Pass hat es dann in sich. Thiemo faehrt mir mit den Pausenproviant davon, ich ueberanstrenge mich in der Hitze des Anstieges und bleibe an manchen Schiebepassagen fast stecken. Irgendwann gebe ich es auf, mich ueber Thiemo zu aergern und ihm hinterherkommen zu wollen und fahre ab jetzt mein Tempo, halte wenn ich es noetig habe und lasse ihn warten. Als er dann wirklich mal auf mich wartet, erklaere ich ihm, was ich brauche, wir machen eine lange (inzwischen Nach-)mittagspause und nehme den Pausenproviant ab jetzt zu mir. Thiemo bemueht sich ab da, auf mich Ruecksicht zu nehmen. Auf dem Pass habe ich mich dann wieder erholt – wir geniesen die Hoehe und beschliessen hier zu uebernachten und die Zeit fuer einen kleinen Abstecher auf den Huegel neben dem Pass zu nutzen, der uns eine herrliche Aussicht beschert.
Am Morgen geht es dann abwaerts und diesmal fahre ich Thiemo davon. Das enge Tal ist ueberwaeltigend, mit Nomadenbehausungen, die sehr provisorisch aussahen. Am Ende badeten wir dann in einem klaren und kalten Bergbach, bevor wir Kalaikhum erreichen. Hier treffen sich Nord- und Suedroute wieder. Wir freuen uns, die Nordroute genommen zu haben, denn es gab da tatsaechlich fast keinen Verkehr (ein Auto/ LKW pro Stunde) und der Pass war wunderschoen.
Ab jetzt geht es dem Panjifluss entlang, der die Grenze zu Afghanistan markiert. Wir bewundern noch ein deutsches Entwicklungshilfeprojekt zur Grenzueberschreitenden Stromversorgung (eine Umspannstation und Stromkabel ueber den Fluss sind zu sehen) und schauen badenden afghanischen Kindern auf dem gegenueberliegenden Ufer zu. Unser Blick gilt in den naechsten Tagen den afghanischen Bergen und Doerfern, deren Bauweise eher iranisch anmutet.
Die Strasse ist jetzt eine Mischung aus schlecht asphaltiert und gut gekiest. Ich fange an, mich zu wundern, dass ich so schwitze und staendig trinken muss. Ein Blick auf das Thermometer erklaert mir das: es klettert in der Sonne bis ueber 50 C – das ist bisheriger Rekord, so heiss war es auch in der Wueste nicht und wird es gluecklicherweise auch die kommenden Tage nicht mehr. Das Tal wirkt wie ein Brutkessel, der die Hitze speichert und der Wind gibt ein Gefuehl, wie wenn man von einem heissen Foen angeblasen wird. Wir halten an einer Raststaette und machen bis 16:00 Uhr Pause mit Fleischsuppe und Melone, bevor wir dann weiterradeln. Am Tag drauf treffen wir dann immer wieder Entwicklungshilfeprojekte, die die Wasserversorgung verbessern, Tourismus foerdern oder nur Erdrutsche verhindern sollen. Ob sie sinnvoll sind, weiss ich nicht, die Bevoelkerung scheint mir jedenfalls mit ihren Verhaeltnissen ganz gut klar zu kommen. Der Pamir Highway – der Verkehr hat jetzt zwar zugenommen, ist aber eher maessig – ist in den Sommermonaten aber auch zum Fahrradhighway geworden, heute treffen wir Spanier, Franzosen und Deutsche, die uns entgegenkommen und unseren Belgier aus Duschanbe treffen wir auch wieder. Wir zelten gemeinsam mit ihm an Maulbeerbaeumen. Drunter wir uns verboten, da da die reifen Maulbeeren trocknen, die dann in den Laeden zu kaufen sind. Beim Losfahren nach dem Fruehstueck bemerkt Thiemo meinen naechsten Platten, so dass uns der Belgier wieder vorausfaehrt. Der Tag steht dann im Zeichen schoener Flusslandschaft, da das Tal sich weitet und der Fluss durch die Ebene maeandert, frecher werdender Kinder, die Steine werfen, als wir uns weigern ihre gefangene und gequaelte Schlange zu bewundern und Thiemo, der anfaengt hinter mir her zu hinken. Am Abend weitet sich das zu Uebelkeit, Kopfweh und Fieber aus, so dass wir in einem Dorf bleiben und zelten. Eine alte Frau bringt uns, nachdem wir gekocht haben, zusaetzlich Brot, Kartoffeln und Aprikosen und auch beim Fruehstueck gibt es eine extra Portion Tee, Kekse und Aprikosen. Die Einladung zur Sauna vom Herrn des Hauses, verschludere ich leider, da ich zunaechst den Geschirrabwasch beenden muss und er danach nicht mehr zu sehen ist. So gut genaehrt geht es Thiemo dann am Morgen auch wieder besser und wir machen uns auf besser werdender Strasse auf nach Khorogh, wo gemeinsam mit uns gerade die einzige Maschine des Tages aus Dushanbe auf der Landebahn neben der Strasse landet. Im Hostel treffen wir dann unseren Belgier, den vierten Schweizer (Rolf) aus Duschanbe und den Deutschen (Gustav) aus Duschanbe wieder. Alle inclusive Thiemo zelten auf der Veranda, waehrend ich mir ein Zimmer fuer 3 $ extra goenne. Rolf und Gustav wollen am kommenden Tag den Pamir Highway direkt weiter fahren, Thiemo und ich den Umweg ueber das Wakhan Tal nehmen und der Belgier eine kleine Strasse quer durchs Gebirge.
Thiemo will sich ausruhen, waehrend ich am Abend alleine Essen gehe. Allerdings hat fast alles zu und es ist schon sehr dunkel. Ich ende dann in einem Cafe, in das mich ein junger Mann abgeschleppt hat, in dem zwei Frauen kochen und ein alter Mann das Kommando fuehrt. Ich bekomme Pommes mit Wurst, vertrocknetes Brot und einem kleinen Fisch, wegen dem ich eigentlich zugesagt hatte hier zu essen. Das von mir gewuenschte Bier wird im nahe liegenden Laedchen fuer mich gekauft. Ich habe die Atmosphaere als alleiniger Gast dennoch genossen – nur wie die beteiligten Personen von meinen 21 Somonis leben wollen, ist mir ein Raetsel.
Am kommenden Tag brechen Thiemo und ich dann ins Wakhan Valley auf. Es geht zunaechst weiter den Panji Fluss entlang, bevor die “Strasse” dann die afghanische Grenze verlaesst und ins Hochgebirge fuehrt. Schwierige Wegverhaeltnisse, totale Abgeschiedenheit, Wegpassagen oberhalb 4000 m und herrliche Ausblicke auf den Hindukush erwarten uns. Es schliesst sich uns ein sympathisches schweizer Paerchen um die 30 an. Beide haben ihren Job (Berufschullehrer und Ergotherapeutin) fuer diese Reise gekuendigt. Sie werden sich etwas mehr Zeit fuer den Streckenabschnitt goennen, wollen aber zunaechst mit uns fahren. Ich geniesse das gemeinsame Fahren, und die neuen Gespraechspartner. Allerdings kommt man zu viert langsamer voran, da jeder seine Probleme und Wuensche hat. Thiemo kaempft immer noch mit Durchfall und Schwaeche, ich habe schon wieder einen Platten und beschliesse daraufhin auch gleich, Kette zu wechseln, die Schweizer kochen mittags und wollen abends nicht so lange fahren wie wir. Fuer ein paar Tage bietet das aber willkommene Abwechslung. Bis Ishkashim (Grenzuebergang nach Afghanistan) ist die Strasse im uebrigen hervorragend. Wir uebernachten meist bei Bauern in einem Dorf, in deren Garten wir das Zelt aufstellen.
Nach drei Tagen beschliessen die Schweizer, an warmen Quellen den Badebetrieb zu geniessen und einen Tag zu pausieren. Wir trennen uns also trotz des gemeinsamen Radfahrgenusses. Spaeter am Tag besichtige ich noch das Haus eines Universalgelehrten aus dem 19. Jahrhundert, der sich hier einen Sonnenbeobachtungsstein gebastelt hat und damit Solarberechnungen zum Kalender vornahm, aber auch Gedichte geschrieben und Musikinstrumente gebaut hat. Wir geniesen die herrlichen Ausblicke in die Seitentaeler mit Blick auf die 5-6000er schneebedeckten Berge des Hindukusch. Der Rueckenwind hilft die inzwischen schlechte Strasse zu bewaeltigen. Eigentlich koennte man einfach nur geniessen, leider hat mich der Durchfall inzwischen auch eingeholt und auch Thiemo zeigt immer noch Schwaecheperioden.
Bisher haben wir uns auf ca. 2800 m hochgearbeitet. In Langhar gibt es nun die letzten duerftig ausgestatteten Laeden und es geht aufwaerts. Nach den ersten beiden Serpentinen bestehe ich auf eine Mittagspause, an deren Ende eine Frau uns mit Plov (Reisgericht mit etwas Gemuese und Fleisch), Salat, Brot und Aprikosen versorgt Danach geht es steil nach oben, ab gerade als wir uns aufs Schieben verlegen wollen, kommen drei Jungs, die uns schieben wollen. Das erhoeht unsere Aufwaertsbewegung ungemein, wobei es sehr anstrengend ist, dabei die Lenkung zu halten und die Steinbrocken auf dem Weg zu bewaeltigen. Nach dem steilsten Stueck verabschieden wir sie mit einem kleinen finanziellen Obolus. Wir sind froh so schnell gestiegen zu sein, aber vollkommen ausser Atem. Die Strasse steigt weiter und auf 3600 m beschliessen wir, die Nacht zu verbringen. Ich fuehle mich ganz gut, Thiemo leidet unter Schwaeche und Appetitlosigkeit, ist aber zuversichtlich auch weiterhin gut durchzukommen. In der Nacht ist der Sternenhimmel ueberwaeltigend und selbst ich Blindfuchs sehe mal eine Sternschnuppe – die aber wirklich gross ist und einen 45 Grad Winkel beschreibt, bevor sie erlischt.
Die kommende Nacht verbringen wir dann auf knapp unter 4000 m, bevor den 4296 m Pass bewaeltigen. Der Aufstieg ist gar nicht so schwer zu bewaeltigen, obwohl der Weg jetzt wirklich nur noch Feldweg Charakter hat, aber da es trocken ist, kommt man gut ueber die Sand, Stein und Lehmpassagen hinweg. Mit kurzen Schiebeeinlagen ist das gut machbar. Albanien mit Regen erschien mir anspruchsvoller. Die Hoehe war spuerbar, aber mit dem langsamen Tempo gut auszugleichen. Ohne die Magen-Darmbeschwerden waere das ganze ein einziger Genuss gewesen.
Jenseits des Passes wird es uebrigens sandiger, die Landschaft gleicht einer Mondlandschaft und das Suesswasser weicht ausgetrockneten Bachbetten und Salzsehen. Und das ganze ist gepraegt durch eine Stille, die man in Mitteleuropa nicht mehr erfahren kann: kein Fahrzeug, kein Flugzeug, kein fernes Autobahnrauschen und ab und zu der Warnruf eines Erdmaennchens. Eigentlich traut man sich gar nicht weiterzufahren, da das so viel Laerm produziert.
Tja und treffen wir nach einer holprigen Abfahrt auf 4000m auch schon wieder den Pamir Highway. Er ist hervorragend asphaltiert, die paar chinesischen Laster (3 Stueck alle viertel Stunde) sind zwar ein starker Kontrast zu den letzten Erfahrungen, fahren aber so ruecksichtsvoll, dass wir die Strasse abwaerts gut geniessen koennen. Seit langer Zeit rollen die Raeder doch tatsaechlich auch mal wieder von alleine. So mischen sich Stolz ueber das Erfahrene mit Vergnuegen am Fahren. Im naechsten Ort uebernachten wir zur Erholung in einem Homestay knapp unter 4000 m Hoehe. Das Essen ist gut aber etwas karg (Suppe mit Kartoffeln und Zwiebeln zum Abendessen, Milchreis mit Joghurt zum Fruehstueck) – aber so sieht das Leben hier so aus. (Wobei unsere Gastgeber uns den Hard stuff wie vergorene Yak milch nicht zugemutet haben.)
Am kommenden Tag beschliessen wir, obwohl Thiemo immer noch nicht fit ist, Murgab erreichen zu wollen. Es gilt einen kleinen Pass von 4137 m zu bewaeltigen, aber dann geht es fast nur abwaerts.
An einem einsamen Gehoeft, beschliesse ich dem Schild, das Fisch verheisst, mein Mittagessen einzunehmen. Thiemo will die Zeit zum Ausruhen nutzen. Ich schaue der Frau des Hauses beim Brotbacken zu, bestaune Yakhoerner und die lebende Kreuzung aus Yak und Kuh – die Yaks sind auf der hoeheren Sommerweide – und willige ein, zum Fisch noch Plov serviert zu bekommen. Leider habe ich nach einer Stunde Kurut(?) (getrockneter Yak-Yoghurt, salzig, Wurfballgroesse, staubig) probiert, Tee getrunken und den Plov genossen. Nur einen Fisch habe ich nicht gesehen. So brechen wir wieder auf und radeln nach Murgab, um zwei Tage Pause zu machen. Thiemo ist nicht fit, haelt aber durch. In Murgab treffen wir unseren belgischen Radlerkollegen wieder. Er hatte zwar eine kuerzere Route aber offensichtlich nicht schnellere Route gewaehlt und hat sich im Hotel einquartiert. Wir suchen die Unterkuenfte in meinem veralteten Lonely Planet, die gibt es aber nicht mehr, dafuer zzeigt uns ein aelterer Herr (wahrscheinlich wieder meine Altersklasse) sein Hostel, das preisguenstig aber ansprechend ist. Wir erhalten ein Doppelzimmer, duerfen die Kueche benutzen und verhandeln noch kosenloses Duschen. Die Tochter muss unsere Fahrradtaschen putzen, bevor wir sie ins saubere Zimmer bringen duerfen. Das (westliche) Sitzklo erfordert wie ueblich aber auch einen Gang ueber den Hof. Der Hausherr wird sich den ganzen Aufenthalt ueber ruehrend um uns kuemmern, wir erhalten hier Abendessen und Fruehstueck, duerfen fuer Mittagessen und Melonenorgien aber auch das Equipment mitbenutzen und koennen jederzeit Tee bestellen.
Hier in Murgab auf ca 3700 m Hoehe gibt es wieder Telefonverbindung, die ich ausgiebig nutze, um mit Winfried und Susanne zu kommunizieren. Internet finde ich in der Stadt aber erst am letzten Tag im Haus der amerikanischen Freundschaft (keine Ahnung welche Organisation dahintersteckt), an dem ich 5 mal vorbeilaufe, da kein Hinweisschild darauf hindeutet, was sich hinter der unscheinbaren Tuer verbirgt und dann erst 30 minuten vor Arbeitsende ankomme. Mit Blog schreiben war also nichts. Dann ist der Basar sehenswert: Er besteht aus 30 bis 40 Containern, die zu Laeden umgestaltet sind, in denen es Bonbons und Kekse, bzw Kekse und Bonbons zu kaufen gibt. Na ja Fleischbuechsen, Melonen und Paprika finden wir dann schon auch noch, genauso wie Batterien fuer meine Taschenlampe. Auch eine Apotheke gibt es im Ort, in der Thiemo sich Antibiotika fuer seinen Darmtrakt besorgt. Ab da geht es mit ihm aufwaerts. Na ja ein bischen fuehlt man sich hier mehr am Ende als auf dem Dach der Welt.
Aber die Pamirreisenden treffen sich hier. In unserem Hostel treffen am naechsten Tag noch ein oesterreichisches sympathisches Paerchen ein, das gerade den Pik Lenin (7120 m) bestiegen hat und uns berichtet, in der Naehe von Kashgar gebe es buergerkriegs aehnliche Zustaende, ueber die die westlichen Medien halt nicht berichteten. Das beunruhigt uns und vier koreanische Radler, die unterwegs nach Kashgar sind. Aber nach der Nachrichtenlage, die wir inzwischen haben, scheint die Warheit doch naeher an der westlichen Berichterstattung liegen: Es gab einen Zusammenstoss chinesischer Sicherheitskraefte mit (laut chinesischen Informationen bewaffneten?????) uigurischen Demonstranten mit nahezu 100 Toten in einer Stadt suedwestlich von Kashgar. Seitdem ist es aber wieder ruhig. Auf alle Faelle stellen wir uns schon mal auf viele Polizeikontrollen ein und werden uns bemuehen, moeglichst schnell in ruhigere Gefilde zu kommen.
Von Murgab aus nehmen wir den Hoehepunkt unserer Pamirreise in Angriff: den Ak-Baital Pass auf 4655 m. Zunaechst steigt die Strasse nur langsam an. Wir bewegen uns inzwischen nahe und parallel zur chinesischen Grenze, die auf tadschikischer Seite mit einem einfachen Stacheldrahtzaun gesichert ist. Thiemo laesst sich viel Zeit, um sich nicht zu ueberanstrengen, aber auch mir faellt der Anstieg bereits unterhalb von 4200 m schwerer als der 4300 m Pass im Wakhan Valley, obwohl die steilen Stellen erst oberhalb von 4200 m kommen. In meinem Magen rumort es wieder heftig. So erreichen wir den Pass erst gegen 6:00 Uhr abends. Wie ueblich sind die Ausblicke vor und nach dem Pass schoener als auf dem Pass selbst, trotzdem muss das obligatorische Passbild natuerlich geschossen werden. Inzwischen liegen wir im Schatten der Gipfel und mir wird kalt, zumal der Gegenwind eisig ist. Ich ziehe Pullover, Fliessjacke und Regenjacke sowie lange Unterhose an, trotzdem friere ich bei der Abfahrt, die sich auf unasphaltierter Strasse eher langsam gestaltet. Sobald der Weg flacher wird, hat sich wieder Waschbrettmuster auf der Strasse gebildet und mir holpert der Kopf durcheinander. Auf 4200 m nutze ich die Einladung einer Hirtenfamilie in ihrer Huette, die als Sommerlager dient, zu uebernachten. Ich fuehle mich total erschlagen.
Die Familie besteht aus der Mutter, einem behinderten Kind, einem kleinen Jungen und einem Studenten, der die Semesterferien zum Familienaufenthalt nutzt und ganz ordentlich englisch spricht. Der Vater arbeitet wohl im “Tal”.
Es gibt Plov mit Lammfleisch, Melone und viel Tee. Danach baut die Mutter die Huette zum Schlafplatz um (Tischtuch vom Fussboden entfernen und Matrazen fuer 6 Personen auslegen). Zusammen mit unseren Fahrradtaschen ist der Huettenboden damit auch vollstaendig bedeckt.
Am Morgen geht das Ganze dann rueckwaerts und wir verzehren Tee mit Milch, Brot und Yakbutter. Ich habe Magen-, Hals- und Kopfschmerzen. Ist das jetzt Folge der latenten Magenprobleme, der Hoehe oder der verschwitzten kalten Abfahrt. Ich beschliesse, es sei eine Kombination aus allen dreien und bin einfach energielos. Jetzt muss Thiemo staendig auf mich warten und als ich zu Mittag in Karakol verkuende, ich wuesste nicht, ob ich noch weiterfahren koenne, kuemmert sich Thiemo um Wasser und ein Mittagessen und goennt mir eine lange Mittagspause. Um 4 Uhr geht es mir dann wieder etwas besser, so dass wir beschliessen noch 20 km bei Gegenwind weiterzufahren. Ich bin total geschafft, als wir das Nachtlager aufbereiten, so dass Thiemo alleine fuer uns kocht und mich mit Essen versorgt. In der Nacht muss ich fuenf mal zum Pinkeln aufstehen und den Sternenhimmel geniessen, wobei der Mond inzwischen stoerend hell leuchtet. Am Morgen sind meine Beschwerden dann aber fast verschwunden. Ich fahre in langer Unterhose und Fleecejacke – ein Kaelteschutz, der angesichts des kalten Gegenwindes auch angebracht ist und nach dem ersten 4230 m Pass durch die Goretex Jacke noch ausgebaut wird. Ich kann heute aber wieder mit Thiemo mithalten, auch wenn ein Husten die Diagnose Erkaeltung mehr und mehr bestaetigt. Leider wird nach dem Pass die Strasse wieder schlechter und es gibt wieder Waschbrett vom feinsten. Wir kommen also langsamer als geplant vorwaerts in Richtung Grenze aber die Aussicht entschaedigt fuer vieles: Ist der scheebedeckte Gipfel dahinten Pik Lenin?
Endlich erreichen wir kurz vor dem zweiten 4280 m hohen Pass die tadschikischen Grenzanlagen nach Kirgistan. Es handelt sich um eine Ansammlung von Containern mit lustlosen Beamten und haben die Ausreiseformalitaeten nach 5 Minuten hinter uns. – Manchmal sind lustlose Beamte ein wirklicher Segen. 5 km spaeter stehen wir an der eigentlichen Grenze auf der Passhoehe. Eigentlich bietet der mal einen richtig schoenen Ausblick, leider sind die richt hohen Berge (ueber 6500 m) jetzt in Wolken und das verschlimmert sich waehrend der Abfaht noch. Gegen Abend troepfelt es dann sogar fuer 30 Minuten.
So verlassen wir also Tadschikistan. Die Eindruecke dieses Landes wurden vornehmlich durch die Landschaft und weniger durch die Menschen gepraegt – so viele wohnen ja auch nicht da, wo wir lang fuhren. Die Menschen gehen hier nicht mehr so natuerlich auf einen zu, brauchen laenger um aufzutauen und haben eine staerkere Scheu vor der Sprachbarriere. Hilfsbereit sind sie aber genauso und efaehrdet haben wir uns trotz fehlender Strassenbeleuchtung und trotz der nahen Afghanistan Grenze nie. Auch von der Drogenproblematik haben wir glueckllicher Weise nichts mitbekommen. Gerade im Pamir wird dann aber klar, wie niedrig der Lebensstandard hier ist. Gegessen wird, was angebaut wird und vielleicht noch Kekse und Suessigkeiten dazu. Brot braucht man nicht zu verkaufen, das backt jede(r) selbst. Zerlumpt laufen die Leute aber auch hier nicht herum und meist schickt die Familie auch mindestens ein Kind zum Studieren. Wasserhygiene ist ein Problem und vielleicht helfen hier ja die Entwicklungsprojekte nicht nur den Radreisenden sondern auch der Bevoelkerung.
Uns hat es hier gefallen auch wenn wir gegen Ende wieder nach frischem Obst und Gemuesse gefiebert haben.
Das Land ist uebrigens ein Opel- und Lada-Land.
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